Ein weißhaariger Senior sitzt im Schlafanzug auf der Bettkante und hält sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Rücken

Rheuma

Gelenkschmerzen = Rheuma? Nein, so einfach ist es nicht.

Zu kaum einem medizinischen Begriff gibt es so viel Verwirrung wie zu "Rheuma".
Landläufig werden Schmerzen an Knochen und Gelenken (vor allem an den Händen) in etwas fortgeschrittenem Lebensalter mit "ich habe Rheuma" bezeichnet und dann erinnert sich der oder die Betroffene gleich an "einen schweren Rheumafall, der im Rollstuhl endete".

So brauchen wir zuallererst eine grundlegende Unterscheidung: Das "echte" Rheuma oder Gelenkrheuma, die rheumatoide Arthritis ist (nur) eine von diversen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, die allesamt eine Entzündungsreaktion unter dem Mikroskop aufweisen, aber nicht sämtlich Gelenkschmerzen auslösen.

Demgegenüber stehen die degenerativen, also durch Verschleiß bedingten, Gelenkerkrankungen (= Arthrose) der kleineren oder größeren Gelenke, die in bestimmten Lebensphasen auch eine entzündliche Komponente haben können (man spricht dann von einer "aktivierten Arthrose") und denen keine Autoimmunerkrankung zugrunde liegt, sondern die im Rahmen des Älterwerdens auftreten.

Was sich hier schon etwas "unsortiert" liest, ist tatsächlich nicht ganz einfach auseinanderzuhalten und für Sie als betroffenen Laien sicher eher unübersichtlich. Daher sollten Sie nicht zögern, bei Gelenkschmerzen jeglicher Art, einen Arzt aufzusuchen, um eine fachkundige Diagnose einzuholen. Auf diese Weise können Ihre Symptome fachgerecht behandelt werden und Sie können lernen, besser damit umzugehen.

Verschiedene rheumatische Erkrankungen

"Echtes" und "Falsches" Rheuma

Der insgesamt sehr inhomogenen Gruppe der "echten" rheumatischen Erkrankungen liegt immer eine Störung des Immunsystems zugrunde, sodass das Abwehrsystem sehr pauschal bestimmte Strukturen im eigenen Körper als "fremd" einordnet und dadurch angreift und bekämpfen will. In einem großen Teil rheumatischer Erkrankungen spielt sich dieser Mechanismus an den größeren oder kleineren Blutgefäßen ab oder am Bindegewebe mit seinem Kollagen oder an beidem.
Da Gefäße und Bindegewebe in allen Organen des menschlichen Körpers benötigt werden und verarbeitet sind, können die Symptome also sehr umfassend sein und den ganzen Körper betreffen.

Beim klassischen Gelenkrheuma, der rheumatoiden Arthritis oder RA (früher auch PCP = primär chronische Polyarthritis genannt) findet diese überschießende Immunreaktion genau an der Grenzfläche zwischen Gelenkknorpel und Gelenkraum statt und führt nach und nach zu einer Zerstörung des glatten Gelenkknorpels und der Gelenkflächen bis hin zur Deformierung und Funktionslosigkeit eines oder mehrerer Gelenke.

Bei anderen rheumatischen Erkrankungen wie dem Lupus Erythematodes, dem Morbus Bechterew oder der Dermatomyositis sind entweder Gefäße im ganzen Körper oder fast isoliert die Gelenke der Wirbelsäule oder die Gefäße der Muskulatur und Haut betroffen.

Außerdem gibt es einige Erkrankungen, die der Volksmund auch Rheuma nennt, die aber letztlich einen grundsätzlich anderen Entstehungsmechanismus haben:
Die degenerativen Gelenkerkrankungen, zu der es in der Rubrik Rückenschmerzen weitere Informationen gibt, entstehen grob gesagt durch Abnutzung und Fehlbelastungen unserer Gelenke. Es entsteht eine Arthrose, wenn der glatte Gelenkknorpel, der "das glatte Laufen" eines Gelenks ermöglicht, nach und nach aufgerieben wird und abnutzt, sodass letztlich nun rauer Knochen an rauem Knochen reibt, wenn man das Gelenk bewegt. Das schmerzt eindeutig! Und diese mechanische Überbelastung kann nun zu allem Unglück dazu führen, dass Entzündungsreaktionen entstehen. Diesmal nicht, weil das Abwehrsystem fehlfunktioniert, sondern weil die Rauigkeit durch den fehlenden Knorpel tatsächlich einen "Schaden" darstellt, den der Körper mithilfe der Entzündungsreaktion "reparieren" möchte.
Wenn eine solche Arthrose sich also leicht entzündet darstellt, spricht man von einer aktivierten Arthrose und verordnet ebenfalls entzündungshemmende Medikamente, die NSAR (s.o.) und kann in sehr schweren Fällen und bei starken Schmerzen auch kurzfristig und relativ niedrig dosiert Cortison einsetzen.

Kein Wunder also, wenn die Symptome und die Behandlung dieser beiden unterschiedlichen Erkrankungen sich teilweise so sehr ähneln, dass "Rheuma" und "Rheuma" so häufig miteinander verwechselt werden!

Wenn die Arthrose viele Gelenke betrifft, spricht man von einer Polyarthrose - auch hier war die Abgrenzung zu der Zeit, als man das "echte" Rheuma noch PCP, also primär chronische Polyarthritis, genannt hat, besonders schwer, weil sich die Worte sehr ähneln.

Für die Arthrose und die Polyarthrose, also den Gelenkverschleiß, gilt: Physiotherapie in Form von Krankengymnastik, Kälteanwendung (im akut aktivierten, also entzündlichen Fall), Wärme-Anwendung (in der Dauerbehandlung zur Linderung der unter Umständen chronisch bestehenden Schmerzen), Ergotherapie, wenn vor allem die Hände betroffen sind, um die Beweglichkeit der Finger zu erhalten und Entspannungstechniken haben bei beiden Formen der Gelenkerkrankungen ihren festen Platz, um den Betroffenen möglichst viel Schmerzlinderung und Lebensqualität zu erhalten.

Rheuma diagnostizieren

Das Fatale an den "echten" rheumatischen Erkrankungen ist, dass sie untereinander so viele Mischformen und Varianten ein und derselben Erkrankung bilden können, dass es manchmal schwierig ist, eine korrekte Diagnose zu stellen (die wiederum natürlich zu einer bestmöglichen Behandlung führen sollte und könnte, d.h. es ist ja nicht nur von akademischem Interesse zu erfahren, an welcher Krankheit ein Betroffener leidet, sondern notwendig, um die bestmöglichen Medikamente einzusetzen!).

Zur Diagnostik einer dieser rheumatischen Erkrankungen gehören eine ausführliche Anamnese (Befragung nach Symptomen, Auftreten, Häufigkeit, Dauer usw.) und körperliche Untersuchung und dann sehr aufwendige Laboruntersuchungen.
In vielen Fällen wird Sie Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin an einen niedergelassenen Rheumatologen oder eine rheumatlogische Ambulanz in einem Krankenhaus überweisen.
Denn nicht einmal die Laboruntersuchungen sind immer und auf Anhieb eindeutig und stiften manchmal zusätzliche Verwirrung: es gibt sogenannte seronegative Rheumafälle, bei denen alle Faktoren, die für ein Rheuma sprechen, positiv sind (inklusive typischer Befunde in Röntgenaufnahmen oder bei einer Szintigraphie, einem CT oder einer MRT) mit Ausnahmen der dazu "passenden" Blutwerte und es gibt Menschen mit positiven Rheuma-Blutwerten, die keinerlei Beschwerden oder Symptome im Sinne eines Rheumas haben.

Wenn die Diagnose eines Rheumas oder - weiter gefasst - einer Erkrankung aus dem Rheumatischen Formenkreis (alternativ "eine Kollagenose") steht, wird es Zeit für die richtige Behandlung.

Behandlungsmöglichkeiten bei Rheuma

Da eine ausgeprägte Entzündung die Ursache der Erkrankung ist, wird die Medikation also entzündungshemmend und schmerzlindernd sein müssen.

Noch vor zwanzig Jahren waren hier die Behandlungsmöglichkeiten wesentlich begrenzter als heute:

  • im akuten Entzündungsschub mit starken Schmerzen, vielleicht auch Überwärmung und Rötung der Gelenke und mit vermutlich erhöhten Blutwerten für die sogenannten Entzündungsmarker (von denen der bekannteste CRP heißt) hilft Cortison, das meist in Tablettenform als Prednisolon gegeben wird.
  • Unterstützung oder alternativ wurden und werden die klassischen Entzündungshemmer vom Typ Diclofenac und Ibuprofen (NSAR) gegeben.  

Beide Medikamentengruppen lindern die Schmerzen und reduzieren die Entzündungsreaktion, haben aber zum Teil erhebliche Nebenwirkungen. Während die Entzündungshemmer Diclofenac und Ibuprofen vor allem Magen-Darm-Nebenwirkungen auslösen, können bis hin zur Entstehung von Magengeschwüren und akuten Magen- oder Darmblutungen sowie Nierenschwäche entstehen oder verschlimmern können, führt Cortison zu einer enormen Gewichtszunahme, die sich vor allem auch an Nacken und Gesicht ("Vollmondgesicht") zeigt.
Zusätzlich entmineralisiert Cortison bei längerer Einnahme die Knochen und führt so zu Osteoporose und es führt zu einem Abbau der Haut, sodass nach langfristiger Einnahme eine sogenannte Pergamenthaut entsteht, die leicht reißt und zu Wunden und Einblutungen führt. Auch der Augeninnendruck kann sich erhöhen und einen Grünen Star (Glaukom) auslösen.

Diese bekannten Nebenwirkungen führen dazu, dass es zwar enorm hilfreich ist, in einer akuten Erkrankungsphase sowohl Cortison als auch NSAR einzusetzen, aber dass es längerfristig sinnvoll und notwendig ist, Alternativen zu dieser Akutbehandlung zu entwickeln.

Fast allen rheumatischen Erkrankungen ist gemein, dass sie schubweise verlaufen und dass neben beschwerdefreien oder -armen Intervallen Phasen mit einer hohen Krankheitsintensität auftreten.

Es gibt eine Reihe von sogenannten Basistherapeutika, die nun den schubweisen Anstieg der Entzündungsaktivität unterbinden sollen. All diese Medikamente haben Auswirkungen auf das Abwehrsystem und sollen dafür sorgen, dass keine neuen Entzündungsschübe entstehen. Dazu müssen alle Basismedikamente regelmäßig eingenommen werden - unabhängig davon, ob ein Betroffener gerade Gelenkschmerzen hat oder nicht.
Bekannte Substanzen aus dieser Arzneimittelgruppe sind Azathioprin (AZT, Imurek), Methotrexat (MTX), Chloroquin (ursprünglich ein Malariamedikament), Sulfasalazin, Ciclosporin A (Sandimmun) oder Cyclophosphamid.
Die Gabe dieser Medikamente gehört sorgfältig durch Laborkontrollen und weitere Kontrolluntersuchungen überwacht, sodass es heute Standard ist, Patienten mit einem Rheuma oder einer anderen Kollagenose durch einen Facharzt oder eine Spezialambulanz wie oben geschildert regelmäßig mit zu behandeln.

Dabei "passt" nicht jede Basistherapie zu jedem Patienten mit seiner Erkrankung, weil es eben auch unterschiedliche Schweregrade und Verlaufsformen jeder dieser Erkrankungen gibt, sodass unter Umständen auch mehrere Basistherapeutika ausprobiert werden müssen, bis man das am besten Passende gefunden hat.

Neue Therapiemöglichkeiten

In den vergangenen vielleicht 15 Jahren wurden die Therapiemöglichkeiten für rheumatische Erkrankungen durchgreifend verbessert durch eine neue Gruppe von Medikamenten, die sogenannten Biologicals.

Diese Arzneimittel bestehen aus Antikörpern oder Antagonisten (=Gegenspielern) derjenigen Eiweiße, die auf molekularer Ebene für die Entstehung der Entzündungsreaktionen an den Gelenken oder Gefäßwänden zuständig sind. Die Idee hinter dieser Therapie war "wenn es uns gelingt, die Entzündungsreaktion im Gelenk direkt am Gewebe, dort wo die "falsche" Eiweißbildung dann zu Entzündungen und damit auch zur Zerstörung des Gelenks führt, schon vor Ort zu unterdrücken oder verhindern, werden die Gelenke erst gar keinen Schaden nehmen".

Tatsächlich sind diese Medikamente, deren Handelsnamen zum Beispiel Humira, Enbrel oder Rituxan lauten, für viele Fälle schwererer Rheumaverläufe ein Segen und haben die Behandlungsmöglichkeiten damit deutlich verbessert. Allerdings ist nicht die "Krankheit Rheuma" damit auszuheilen, sondern die Gelenkverstörung kann aufgehalten werden und die Patienten haben deutlich weniger Schmerzen. Den eigentlichen Schaden im Abwehrsystem kann man bis heute nicht heilen, sodass die Behandlung letztlich lebenslang erfolgen muss.
Es versteht sich von selbst, dass auch die Gabe dieser Medikamente durch einen Facharzt überwacht werden muss.

Ergänzende Behandlungsmöglichkeiten

In die weitere Behandlung von Rheuma und Kollagenosen gehört eine Physiotherapie, um den Betroffenen Schmerzen zu lindern und Bewegungseinschränkungen so weit es möglich ist zu vermeiden. Insbesondere die gezielte Kälteanwendung (Kryotherapie) hilft im Rahmen der akuten Entzündung sehr und wird in Kältekammern mit -160°C durchgeführt.
Auch Krankengymnastik und Ergotherapie helfen insbesondere, die Beweglichkeit der Hände und der anderen Gelenke zu erhalten.

Außerhalb der akuten Entzündungsphasen wird oft Wärme als angenehm empfunden und wird über die Rheumaliga zum Beispiel Warmwasserschwimmen mit Wassergymnastik angeboten.

Unsere Gesundheitsexpertin

Unsere medizinischen Fachtexte werden von Anke Prczygodda verfasst.

Anke Prczygodda ist Fachärztin für Allgemeinmedizin in Kiel und hat sich speziell für den Bereich ambulante geriatrische Rehabilitation qualifiziert.
Unsere Texte stammen also aus der Feder einer ausgewiesenen Expertin für Altersheilkunde.

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