Noch vor fünfzig Jahren gab es für die Trauerzeit, also die Zeit nach dem Verlust eines geliebten Menschen und nahen Angehörigen ganz klare Regeln. Man verhängte die Spiegel, trug mindestens für ein Jahr lang schwarze Kleidung und besuchte die Kirche in festgelegten Abständen. Es gab Zusammenkünfte mit Familie und Nachbarn und reihum wurde die trauernde Familie mit warmem Essen versorgt.
Schon äußerlich war eine trauernde Witwe für jedermann zu erkennen und wurde so zu einem gewissen Teil auch getragen und aufgefangen in ihrer Trauer. Immer mehr geraten diese Bräuche und auch sichtbaren Zeichen für diese schwierige Lebensphase in Vergessenheit und so wird vielleicht für den einzelnen trauernden Menschen die Diskrepanz zwischen dem, was er an Chaos, Verlassenheit, Schmerz und Verzweiflung in sich spürt, und dem, was nach außen an „normalem Leben“ vorgelebt und von ihm erwartet wird, immer größer.
Trauer, auch tiefe und lang anhaltende Trauer, ist ein normaler Zustand. Wir Menschen versuchen, das Unbegreifliche zu begreifen und damit vielleicht eines Tages auch zu verarbeiten und das braucht einfach Zeit, Verständnis und im Idealfall auch Unterstützung. Wenn der Tod eines uns nahestehenden Menschen erst kurze Zeit zurückliegt, haben wir als Angehörigen vielleicht wie in einem Nebel durchgehalten bis zur Trauerfeier und Bestattung. Wir haben mitunter gedacht, dass die Beerdigung der schlimmste Moment in diesem sich lange ziehenden Albtraum wäre und vermutlich niemand kann je vorbereitet sein auf die innere Leere und das Chaos, das sich nun in unserem Inneren ausbreiten kann.
Viele Menschen beschreiben diesen Zustand als "gleichzeitig völlig erschöpft und ausgelaugt" und dabei trotzdem "gehetzt und getrieben und niemals wirklich zur Ruhe kommend".
Wie lange dieser Zustand anhält, ist ganz individuell. Die Gesellschaft erwartet überlichweise, dass er rasch überwunden wird und ein Mensch nach kurzer Zeit wieder "funktioniert". Doch nicht jeder Mensch ist dazu in der Lage. Manche trauern ein paar Wochen, andere benötigen Jahre, um den Verlust eines geliebten Menschen zu betrauern. Vor allem ein plötzlicher Verlust kann uns völlig aus der Bahn werfen.
Wenn die Trauerphase länger andauert, ist es sehr hilfreich, zum Beispiel mit der Unterstützung eines Seelsorgers einen Weg zu finden, mit ihr umzugehen, um wieder einen Weg zurück ins eigene Leben zu finden.