Die wesentliche Grundlage für diese Mechanismen ist unser vegetatives Nervensystem mit dem Sympathikus als Aktivitätssystem und dem Parasympathikus als Erholungssystem. Wir Menschen brauchen ebenso wie alle anderen Lebewesen ein austariertes Gleichgewicht zwischen Anspannung & Aktivität & Handlung und Erholung & Entspannung, also zwischen dem Sympathikus und dem Parasympathikus.
Während eine Aktivierung des Sympathikus den Körper mit allem was dazugehört, auf Flucht oder Kampf vorbereitet (Anstieg des Blutdrucks, des Pulses, vermehrte Durchblutung der Muskulatur, Erhöhung des Sauerstoffbedarfs, höchste Konzentration und schnelle Reaktion), ist das parasympathische System für die Erholung zuständig (Blutdruck und Puls sinken, die Muskulatur entspannt sich, der Sauerstoffverbrauch sinkt und in der verringerten Konzentration setzen Wohlgefühl und Gelassenheit ein).
Die Krux unseres modernen Lebens ist nun, dass für viele Menschen dieses feine Gleichgewicht nicht mehr im Lot ist und die Phasen mit Aktivierung des Sympathikus-Systems zu lang und zu häufig werden. Noch nie gab es so wenige Säbelzahntiger wie heute und noch nie wurden wir so oft wie heute von den Hormonen des Sympathikus-Nervensystems (allem voran das Adrenalin) überflutet.
Eine zu häufige akute oder zu lang anhaltende chronische Aktivierung des Sympathikus stresst uns auf Dauer und kann uns damit krankmachen.
Eine wesentliche Behandlungsform dessen, was wir als chronischen Stress erleben, sind die verschiedenen Entspannungsverfahren, deren Wirkungsweise sämtlich darin besteht, das parasympathische, also das erholende und beruhigende Nervensystem, zu aktivieren und damit der Stressreaktion die Erholungsreaktion entgegenzusetzen.
Da unsere moderne Lebensumwelt reichlich Situationen und Faktoren bietet, die mit Leichtigkeit eine Sympathikus-Aktivierung auslösen können (man denke nur an unangenehme Momente am Arbeitsplatz, im Privatleben, an der Kaufhauskasse, im Parkhaus oder in der Warteschlange im Freizeitpark und jeder von uns kann vielleicht spontan mehrere "stressige" Momente in den vergangenen vier Wochen erinnern), wird es wichtig, alle Momente, die das Erholungsnervensystem, also den Parasympathikus, aktivieren und uns damit entspannen unter Umständen aktiv zu lernen und zu trainieren, um das körperliche und seelische Wohlbefinden zu verbessern.
Und wer bei diesen Ausführungen ausschließlich jüngere Menschen vor Augen hat, der sollte einen Moment innehalten. Zwar sind Mittdreißiger vielleicht durch ihren Arbeitsalltag gestresst, aber auch mit Mitte 70 gibt es genügend Faktoren, die zu Stress führen können. Lassen Sie einmal die letzte Woche Revuee passieren. Sicherlich finden Sie auch Situationen, in denen Sie gestresst waren. Sind diese Erinnerungen wirklich nur Momentaufnahmen, also der wöchentliche Einkauf oder ein wichtiger Termin beim Arzt, oder haben Sie direkt mehrere Situationen im Sinn? Ist letzteres der Fall, dann ist es auch für Sie an der Zeit zu handeln.