Ein Arzt, von dem nur die Arme zu sehen sind, hält das Modell einer Harnblase in den Händen

Inkontinenz

Inkontinenz bei Senioren: Formen & Therapien

Für die allermeisten Menschen ein unangenehmes Thema und trotzdem eine Tatsache, die für viele Senioren zum Alltag gehört: die Inkontinenz.

Ganz zaghaft erleben wir, dass das Thema enttabuisiert und sogar zum Inhalt von Fernsehwerbung zur besten Sendezeit wird. Unser gesellschaftliches Gebot zur Sauberkeit und Reinheit ist sehr groß, sodass eine vorliegende Inkontinenz besonders viele unangenehme Gefühle von Scham, Hilflosigkeit und Versagen auslöst.

Viele Betroffene gehen deshalb nicht zum Arzt oder sprechen mit niemandem darüber. Aus Angst "zu riechen" gehen sie immer seltener unter Menschen, bis sie sich schließlich sehr isolieren und einen großen Teil Lebensfreude verlieren. Hier ist aus unserer Sicht so viel Aufklärung wie möglich wünschenswert, damit das große Tabu Inkontinenz weiter fällt und Folgeerscheinungen wie Depressionen so wenig Raum wie möglich eingeräumt wird.

Zu den Altersbeschwerden, unter denen viele Senioren leiden, gehören die Harninkontinenz und die Stuhlinkontinenz.  Beide Arten treten in unterschiedlichen Varianten auf und betreffen sowohl Frauen als auch Männer. Es besteht auch die Möglichkeit, das Patienten von Harn- und Stuhlinkontinenz betroffen sind. Einigen Formen der Inkontinenz gehen Erkrankungen voraus, bei Frauen sind nicht selten Schwangerschaften bzw. Geburten der Grund für das Auftreten von Inkontinenz, aber es gibt darüber hinaus zahlreiche weitere Ursachen.

Welche Formen der Inkontinez gibt es? Was sind die Ursachen? Und was hilft?

Harninkontinenz: was ist das? Welche Varianten gibt es?

Die "Unfähigkeit, dicht zu halten" als Urin- oder Stuhlinkontinenz kann zu den eindeutig unangenehmen Erscheinungen des Älterwerdens gehören. Definitionsgemäß ist schon der unfreiwillige Abgang eines einzigen Tropfen Urins als Urininkontinenz zu werten und kann bei Frauen durchaus schon in den Vierzigern vorkommen.

Diese Varianten der Harninkontinenz gibt es:

  • Stressinkontinenz
    Eine gefüllte Blase beim Niesen, Husten oder beim Heben einer schweren Last kann schon frühzeitig etwas Urin verlieren, wenn eine Frau mehrere Schwangerschaften hatte und die Kinder spontan zur Welt kamen. Diese Form nennt man Belastungs- oder Stressinkontinenz und sie macht einen großen Teil der Harn-Inkontinenzerkrankungen aus.
    Als Behandlung in der leichteren Form kommt vor allem Beckenbodengymnastik infrage und auch eine Normalisierung des Körpergewichts (bei vorausgehendem Übergewicht) hilft, den Druck auf den Beckenboden und damit auf den Verschlussmuskel der Blase zu verringern.
    Bei ausgeprägter Symptomatik (Abgang von Urin schon beim Aufstehen oder im Liegen beim Wenden von rechts nach links oder beim Aufrichten) kann man über eine Operation nachdenken: Es wird ein weiches Band aus Silikon wie eine Schlaufe um den Balsenhals mit der Schließmuskulatur herumgeführt, das dann den Blasen Schließmuskel unterstützen und so die Blase abdichten soll. So können etwa 3/4 der fortgeschrittenen Stress-Inkontinenzen sinnvoll angegangen werden.
    Bei Männern ist diese Form der Inkontinenz hingegen eher selten: eigentlich nur bei Verletzungen oder vorausgegangenen Operationen am Beckenboden kommt es zu einem unzureichenden Abschließen der Muskulatur am Blasenhals.  
  • Dranginkontinenz / Urge Inkontinenz
    Es gibt eine zweite große Gruppe an Inkontinenzerkrankungen: die Drang- oder Urge Inkontinenz, die inzwischen auch OAB (overactive bladder = überaktive Blase) genannt wird.
    Hierbei ist die Nervenversorgung von und zur Harnblase durch degenerative Veränderungen, also einen altersbedingten Abbau,gestört. Erkrankungen, die diesen degenerativen Abbau beschleunigen, sind vor allem der Diabetes mellitus, wiederholte Entzündungen oder eine Demenz.
    Wenn eher die sensiblen Nerven, also das Gefühl für die Blasenfüllung, betroffen ist, merken die Betroffenen nicht, dass die Blase voll ist und vergessen dementsprechend, die Toilette aufzusuchen. Ist vorwiegend der motorische Teil des Nervs, also die Muskulatur betroffen, verkrampft sich der Muskel, der die Blasenentleerung aktiv unterstützt durch Zusammenziehen der Blase und befördert daher ständig Urin zum Blasenhals Richtung Ausgang. Diese verkrampfte Blasenmuskulatur kann durch Medikamente entspannt werden, sodass für die Drang Inkontinenz überwiegend medikamentöse Behandlungsformen eingesetzt werden.  
  • Überlaufinkontinenz
    Bei einer weiteren großen Zahl von Inkontinenz Betroffenen liegt eine Überlaufinkontinenz vor und betrifft hier überwiegend die Männer: Die zunehmende Vergrößerung der Prostata (Vorsteherdrüse) vom jungen Erwachsenenalter bis in ein hohes Lebensalter führt dazu, dass die Harnröhre, die mitten durch die Prostata hindurchläuft, verengt wird. Nun kann der Urin nicht vollständig abfließen und staut sich ständig in die Harnblase zurück, während die Muskulatur im Inneren der Harnblase als Gegenpart laufend versucht, durch Anspannung und Bewegung den Urin "herauszupressen". Damit verdickt sich die Blasenwand und im Extrem kann sich der nicht abfließende Urin bis in die Harnleiter und Nierenbecken zurückstauen und dort die Nieren ernsthaft schädigen.  
    Damit diese gravierende Form der Harnstauungsnieren möglichst nicht mehr vorkommt, sollten Männer von dem Zeitpunkt an, an dem sie eine Abschwächung des Harnstrahls beim Wasserlassen bemerken, urologische Kontrollen und Vorsorgen wahrnehmen; denn eine frühzeitig einsetzende Behandlung kann hier Schlimmeres verhüten. Ein medikamentöser Versuch, das weitere Wachstum der Prostata zu bremsen kann hier ebenso erwogen werden wie die Entfernung oder Verkleinerung der Prostata durch verschiedene operative Verfahren, die auch den Einsatz von Laser beinhalten können. In sehr hohem Lebensalter wird man vielleicht eher auf eine Operation verzichten und dafür einen Dauerkatheter anlegen, damit der Urin ungehindert abfließen kann.
  • Reflex-Inkontinenz
    Eine vierte Form von Inkontinenz betrifft vor allem die Menschen, die entweder eine Verletzung des Rückenmarks erlitten haben (Querschnittslähmung) oder an einer Erkrankung des Rückenmarks leiden (zum Beispiel Multiple Sklerose, auch Encephalitis disseminata genannt). Hier können entweder die Muskeln, die die Blase entleeren, überaktiv oder die Muskeln, die die Blase verschließen, zu wenig aktiv sein, sodass verschiedene Formen dieser sogenannten Reflex-Inkontinenz vorliegen können.

Harninkontinenz behandeln lassen

Da heutzutage in den meisten Fällen eine vorliegende Urininkontinenz sinnvoll behandelt oder deutlich gelindert werden kann, sollten Sie beim Auftreten von spontanem Urinabgang einen Arzt, bevorzugt einen Urologen aufsuchen, damit eine sachgerechte Behandlung stattfinden kann.
Sie werden sich wieder besser und sicherer führen, wenn sich die Inkontinenz vermindert oder wenn Sie Hilfsmittel und Behandlungsmöglichkeiten gezielt einsetzen und damit wieder mehr Lebensfreude und Wohlbefinden haben. Also, zögern Sie nicht und vereinbaren Sie bei derartigen Problemen so rasch wie möglich einen Arzttermin.

Hausmittel bei leichter Inkontinenz

Viele Erkrankungen und Altersbeschwerden sind seit langer Zeit bekannt und wurden auch schon in vergangenen Zeiten ohne Operationen und Antibiotika behandelt. Heute verwenden wir für diese Behandlungsmethoden häufig die Bezeichnung Hausmittel. Auch bei Inkontinenz, allerdings meistens nur bei leichten Formen, können einige Hausmittel wirksam sein.

So empfiehlt es sich, regelmäßig Übungen zur Stärkung des Beckenbodens durchzuführen, um die Funktion der Blase zu verbessern und auch die Funktionalität des Schließmuskels kann auf diese Weise verbessert werden.
Kürbiskerne, die es in jedem Reformhaus oder auch in der Apotheke gibt, können ebenfalls Linderung verschaffen. Ein bis zwei Teelöffel am Tag, zum Beispiel im Müsli, können lindern wirken. Auch Hopfen und verschiedenen Kräutern wird eine ähnliche Wirkung zugeschrieben.
Ein praktischer Tipp ist auch das gleichmäßige Trinken von Tees, Mineralwasser und Saftschorlen über den Tag verteilt. Gewöhnen Sie sich einen festen Rhythmus an, Ihr Körper gewöhnt sich auf diese Weise auch regelmäßige Zeiten an, zu denen Wassergelassen werden muss. So haben Sie die Möglichkeit sich auf den Gang zur Toilette einzustellen und können dafür sorgen, dass Sie sich zur entsprechenden Zeit in der Nähe eines WCs befinden.

Stuhlinkontinenz: Was ist das? Welche Formen treten auf?

Eine Stuhlinkontinenz kann ebenfalls zu den Erkrankungen des Älterwerdens gehören und betrifft wohl etwas mehr Frauen als Männer. Bis zu 3% der Bevölkerung leidet an Symptomen einer Stuhlinkontinenz, die in drei Schweregrade eingeteilt werden kann:

  • Grad 1 : unfreiwilliger Abgang von Blähungen
  • Grad 2 : unfreiwilliger Abgang von flüssigem Stuhl
  • Grad 3 : unfreiwilliger Angang vom geformtem Stuhl

Die verschiedenen Ursachen für eine Stuhlinkontinenz erfordern jeweils auch eine unterschiedliche Art der Behandlung.

Diese Formen der Stuhlinkontinenz gibt es:

  • Paradoxe Inkontinenz
    Die paradoxe Inkontinenz für flüssigen Stuhl bei einer fortgeschrittenen Verstopfung: Wenn durch eine vorausgehende mangelnde Darmentleerung der Darminhalt im Dickdarm und Enddarm liegen bleibt und nach und nach dadurch eindickt, dass dem Darminhalt sämtliches Wasser entzogen wird, kann es zur Bildung von Kotsteinen kommen, die nun immobil im Darm liegen können. Hierdurch ist kein Platz für den von oben nachkommenden noch sehr flüssigen Darminhalt, sodass dieser paradox an den Kotsteinen entlang fließt und als Durchfall unwillkürlich abgeht.
  • Sensorische Stuhlinkontinenz
    Eine sensorische Stuhlinkontinenz meint eine Verringerung der Sensibilität dafür, ob der Enddarm mit Stuhlgang gefüllt ist und die fehlende Auslösung des Stuhldrangs, sodass die Betroffenen das WC nicht aufsuchen. Bei Bewusstlosigkeit, neurologischen Erkrankungen oder bei der fortgeschrittenen Ausstülpung der Darmschleimhaut nach außen (Analaprolaps, Rektalprolaps) fehlt das Gefühl für den vollen Enddarm, sodass sich der Stuhlinhalt irgendwann spontan entleert.
  • Muskuläre Darminkontinenz
    Eine muskuläre Darminkontinenz betrifft die Schließmuskulatur des Enddarms. Von dieser Form der Inkontinenz sind wiederum die Frauen, die Schwangerschaften und spontane Entbindungen erlebt haben, am häufigsten betroffen, weil der Beckenboden erschlafft ist (Beckenbodeninsuffizienz). Damit ist diese Inkontinenzform mit der Stressinkontinenz der Harnblase vergleichbar und häufig bestehen beide Symptome auch gleichzeitig. Auch Verletzungen am Enddarm (Entbindung mit Dammriss, Pfählungsverletzungen) können zur dauerhaften muskulären Darminkontinenz führen.

Die Stuhlinkontinenz betrifft den Enddarm (Rektum): Wenn dieser Teil des Darms, der wie eine Ampulle erweitert ist, seine Speicherfunktion verliert durch eine Veränderung der Schleimhaut (wie sie zum Beispiel bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie dem Morbus Crohn oder der Colitis ulcerosa vorkommen kann), eine Verkleinerung des Ampullenraumes (bei Tumoren oder Narbenbildungen nach einer Operation oder schweren Entzündung) oder eine Vernarbung äußerlich rund um den Enddarm herum (zum Beispiel nach einer hoch dosierten Strahlenbehandlung im kleinen Becken), kann er den herankommenden Stuhlgang nicht mehr zur Speicherung aufnehmen, sondern befördert ihn direkt Richtung Darmausgang.

Behandlungsmöglichkeiten der Stuhlinkontinenz

Heute ist die Stuhlinkontinenz nicht mehr ganz so stark tabuisiert wie noch vor zehn Jahren, aber immer noch weit davon entfernt, eine auch nur halbwegs akzeptable Erkrankung darzustellen. Für alle Menschen mit einer Stuhlinkontinenz besteht ein sehr hoher Leidensdruck, der sich bis zu schweren depressiven Symptomen hin entwickeln kann. Je eher Betroffene fachgerechte ärztliche Versorgung erhalten desto besser!

Die Möglichkeiten zur Diagnostik und Behandlung haben sich in den vergangenen Jahren deutlich gebessert und sowohl im Bereich der ambulanten Proktologie als auch in spezialisierten Abteilungen verschiedener Krankenhäuser und Unikliniken wird Beratung und Behandlung für betroffene Patienten angeboten. Dabei ist den behandelnden Ärzten sehr gut bewusst, was für einen enormen Stress die verschiedenen Formen der Stuhlinkontinenz für betoffene Patienten darstellen und werden sich bemühen eine bestmögliche Behandlung für jeden Menschen individuell zu finden. 

Unsere Gesundheitsexpertin

Unsere medizinischen Fachtexte werden von Anke Prczygodda verfasst.

Anke Prczygodda ist Fachärztin für Allgemeinmedizin in Kiel und hat sich speziell für den Bereich ambulante geriatrische Rehabilitation qualifiziert.
Unsere Texte stammen also aus der Feder einer ausgewiesenen Expertin für Altersheilkunde.

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